Delfine auf 43.536 / -2.127

Bild: Delfine neben dem Boot

Die Zahlen zuerst, ich löse auf: Es handelt sich um Koordinaten. Für die Überschrift habe ich großzügig gerundet = gekürzt.

Genauer:

  • Breitengrad 43.53635789115136
  • Längengrad -2.1266645495236243
  • Also nördlich des Äquators und westlich von Greenwich
  • Selber-Nachgucken (neuer Tab): https://osm.org/go/b~l_5d–?m=

Kurzfassung

Ich buchte einen Tagesausflug

  • Kosten: 135,-€
  • Bootstour via Explore Ocean (Achtung, französisch!)
  • Delfine schwammen und sprangen neben dem Boot
  • Gänsehaut
  • Ich würde es wieder tun #HighlyRecommended

Langfassung

Ausführlicher Bericht, Bilder und evtl. ein Video folgen… demnächst. Ich habe Urlaub und keine Zeit ;-). Familie ist wach, kurz zum Badesee, dann wieder-mal Stellplatz wechseln. Schau‘ später nochmal rein, lieber Leser.

Buchung, Planung, Anfahrt

Dank einer technischen Neuerung namens „Internet“ finde ich ca. drei Tage zuvor online einen Anbieter. Mann ist heiß drauf, Frau weniger, Kind… Boot ja, aber 8h, wie kommt man hin… es soll sich später herausstellen, dass es die richtige Entscheidung war, allein zu fahren.

Bezahlt wird im www per Kreditkarteohne diese wäre keine Buchung möglich, oder man müsste umständlich vor Ort sein, hinfahren, warten… Ich kann’s verstehen, der Veranstalter hat die Sicherheit und bekommt sein Geld; der Teilnehmer hat durch die Vorkasse eine gewisse Motivation, zur vereinbarten Zeit am vereinbarten Ort aufzutauchen.

Wie komme ich vom Campingplatz in Socoa/Urrugne zum Hafen in Hendaye? Ich bemühe den Kartendienst meines Vertrauens.

  • Mit dem Bus, ÖPNV laut OsmAnd: 21 Minuten laufen, 32 Minuten Busfahrt, 12 Minuten laufen = 1:03 h
  • Mit dem WoBi: Scheidet aus
  • Mit dem Taxi: Geiz lässt grüßen
  • Fahrrad: JA! 10 km, OsmAnd gibt mir eine nette Nebenstrecke aus, Fahrzeit 32 Minuten

Explore Ocean bestätigt mir Zahlungseingang und Abfahrt für Freitag, 8:30 Uhr. Boarding um 8:10 Uhr. Abfahrt Campingplatz mit Radl spätestens 7:30 Uhr mit etwas Puffer, sollte ich mich verfranzen unterwegs. Wecker auf 6:45 Uhr – erstmalig in diesem Urlaub, wenn wir sonst ab 8 Uhr, manchmal 10 Uhr aus der Falle kriechen, ist alles vor 7 Uhr „früh“.

Auslaufende Pyrenäen, hügelige Landschaft, Nebenstraße, ich hätt’s mir denken können. Um 8:12 Uhr bin ich an der Mole, nach der morgendlichen Dusche durchgeschwitzt. Tolle Aussichten unterwegs auf’s Meer und das dahinter liegende Land trotz starker Bewölkung. Ich habe noch nie so oft, und so lange am Stück, den ersten Gang am Fahrrad benötigt. (Nein, kein E-Bike!) Gefühlt habe ich auf der 10km-Strecke 3-4x den Nürnberger Burgberg erklommen, und 1x die Strecke nach Kalchreuth. (Hintergedanke auf dem Hinweg: Das muss ich alles wieder zurück, 1:1, sei’s drum, erstmal heißt es: Ankommen, damit die Atalaya nicht ohne mich ablegt.)

Bild: Katamaran im Hafen
Unser Schiff Atalaya im Hafen von Hendaye

Das Boot ist 17 m lang, 7 m breit und verfügt über 79 Plätze. Wir sind ca. 25, ausschließlich Franzosen, 3-4 Kinder. Die Crew ist nett und routiniert, wir fahren pünktlich (!) los.

Willkommen an Bord

Aus dem Hafen heraus erhalten wir erste Hinweise. Schwimmwesten unter dem Sitz (tatsächlich), drei aufblasbare Rettungsboote auf der Aussichtsplattform, reichlich blaue Eimer mit einem Fassungsvermögen von ca. 5 l für plötzliches Unwohlbefinden – sie nennen es hier „seekrank“ -, Minztücher zum Riechen. Die Toilette (eine, für alle) ist im Rumpf unten, kein Papier hineinwerfen, das kommt in einen eigens dafür vorgesehenen Mülleimer. Anstelle eines Waschbeckens steht eine große Flasche desinfizierendes Handgel bereit.

Ein Eimer und ein Minztuch finden nachher Verwendung, der Captain hängt den Eimer an ein Seil und spült ihn im Meer durch. Fische gefüttert.

Mein Französisch reicht leider nicht aus, den jungen Biologen, der die Rede hält, vollumfänglich zu verstehen. Eimer und WC ergaben sich durch Wortfetzen, Gesten und allgemeines Gelächter. Die Minztücher erklärte mir eine sich stets fürsorglich um mich als einzigen Nicht-Muttersprachler kümmernde Dame mit Explore-Ocean-Polohemd im Nachgang – auf Englisch.

Bild: Vortrag an Bord
Präsentationen mit Whiteboard und Mikro

Auf dem Boot darf man sich frei bewegen mit Ausnahme eines kleinen Teils auf dem Ausguck/Oberdeck, dort sitzen zwei professionelle Fotografen sowie zwei Crew-Mitglieder in bequemen BigPacks. Ich erfahre, dass Explore Ocean regelmäßig Daten der Säuger an ein zentrales Institut in La Rochelle übermittelt über Population, Art, Bewegungsrichtung der Schwärme etc. Außerdem lernen wir, welche Wale und Delfine wir hoffentlich sehen werden, und dass es weitere Meeresbewohner gibt wie beispielsweise Quallen oder Plankton. Bei Fragen gern melden. Kaffee aus der Pad-Maschine kostet unglaubliche 1,50 € – in Worten: Einen-Euro-fünfzig-Cent.

Wir nehmen Fahrt auf

Beim Einsteigen suchte ich mir eine ruhige Ecke, hinten-rechts, also achtern-steuerbord (glaub‘ ich jedenfalls, ich Landratte). Ab und zu rieche ich lecker Schiffsdiesel, der Auspuff kommt wohl vor mir aus dem Rumpf. Blick nach hinten auf das kleiner werdende Festland. Wir werden ca. 30 km vor der Küste auf eine tiefere Rinne stoßen. Dort wächst die Chance, begehrte Blicke werfen zu können: Die Wassertiefe steigt, bzw. sinkt, von 150 m auf 700 m.

Zu sehen gibt es: Wasser und grauen Himmel. Ungefähr so:

Bild: Meerblick
Bewölkter Himmel und Wasser, sonst nichts

Sechs Stunden lang nahezu ohne Unterbrechung das gleiche Bild. Andere gucken sich die Augen wund. Crew-Lady versichert mir, man würde mich wecken, wenn es etwas zu sehen gäbe. Ich döse weg für ein Stündchen, froh über den Entschluss, den Zweibeiner zu Hause gelassen zu haben – das wäre ätzend langweilig geworden, zumal Anreise über Berg und Tal per Radl nicht machbar. Manche machen die Beine lang auf den freien Bänken.

Irgendwann zwischen 12 Uhr und 13 Uhr hängt der Biologe – von einer Kollegin unterstützt, die sich mit Seemannsknoten (bitte gendern Sie nach eigenem Ermessen oder lassen Sie es bleiben) besser auskennt – ein trichterförmiges Stück Stoff am Heck in das Wasser: Eine Art Netz. Wir sammeln und sichten im Anschluss daran als gelungener Zeitvertreib unter dem Mikroskop eine kleine Qualle und ein/e/s (?) Physalia physalis : Physalie, Galère portugaise, Vessie de mer – Bildersuche nach gusto.

Sie befinden sich hier

Mit einem fröhlichen „Ditez-moi?“ (Sagen-Sie-mir) bestelle ich beim Biologen einen Kaffee. Dann daddle ich auf dem Mobilgerät herum: Kartendienst und GPS, mal sehen, was da so geht. Screenshots.

Nachvollziehbar im Nachgang: Raus aus dem Hafen, leicht nach links/Westen abgebogen und damit raus aus Frankreich, hinein in spanisches Hoheitsgebiet. Der Mobilfunk bekommt das mit und schickt fleißig SMS. (Die „Willkommen-in-Frankreich„-Nachricht bei der Rückkehr bleibt aus, fünf Tage später immer noch nix.) Letztlich schippern wir durch internationales Gewässer, im Screenshot oben: Oberhalb der blauen Linie, die in der Kartendarstellung küstenparallel verläuft.

Müll eingesammelt

Wir halten unterwegs dreimal, um Müll aufzunehmen mit einem Kescher am langen Stiel.

Bild: Müll aus dem Meer gefischt
Gesammelte Werke; Kugel und Kanister in der Mitte stammen von der heutigen Tour

Sichtung!

… oder Warum sind wir eigentlich hier?

Eine erste Finne (auf dem folgenden Bild sind wir schon recht nah dran, so ein Handy ist eben bloß ein Handy und kein Profi-Fotoapparat), dann weitere, alle Blicke gehen in die gleiche Richtung. Der Captain (w, hier :-)) ändert den Kurs ein wenig. Da muss was dran sein, ich schließe mich der Herde an. Es lohnt sich.

Bild: Rückenflosse
Die erste Finne nach sechs Stunden Fahrt

Zunächst tauchen sie schräg und neben dem Boot auf und wieder ab, typische Wellenbewegungen durchführend. Dann – waren es wir Menschen, die den Kurs der Atalaya änderten, oder waren es die Delfine, ich kann’s nicht sagen – fahren wir mit parallelem Kurs. Die Tiere schwimmen zwischen den Rümpfen des Katamarans, von vorn/oben im Bug hat man den besten Blick. Natürlich ist dort alles voll, Handy drängelnd über die Reling halten will ich nicht, also wird es eine seitliche Aufnahme.

30 Sekunden, 63 MB, liegt auf meiner NextCloud
Evtl. zickt die Wiedergabe, dann hilft möglicherweise der direkte Link. Oder: Aufrufen, Herunterladen auf das Gerät, dort gucken, löschen. Sry, ich kann kaum YouTubes Infrastruktur über Nacht auf die Beine stellen. https://nx26624.your-storageshare.de/s/JZ9FwsyGzjG96BC

Wahnsinn, das so nah zu erleben. Filmchen wie dieses gibt es sicherlich zuhauf, in besserer Güte, mit dem feinen Unterschied: Hier war ich selbst dabei. Ich mache ein paar Kurz-Videos und drücke 3-18x auf den Auslöser für Fotos. Den Rest… genieße ich, für mich, ohne Linse.


Wir halten an, Motor aus, und lauschen dem Schnauben der Tiere. Ein wunderschöner Chor wechselnden Ausblasens, vermengt mit gelegentlichem Platsch einer Schwanzflosse. Majestätische Musik, alles lauscht, niemand spricht.

Irgendwann drehen wir?sie? ab. Spektakulärer Abgang, sie springen. Mehrfach, reihenweise, als würden sie sich verabschieden. Was für ein Bild, ich bin sprachlos. Muss ja grad auch nix zu niemandem sagen. Einfach wow.

Für das/mein Protokoll, nachdem die Tiere im wahrsten Sinne abgetaucht waren: Position mitloggen.

Bild: GPS-Koordinaten
Standort bei Sichtkontakt zu den Delfinen

Rückfahrt

Glücklich, gelöst, unspektakulär. Ich übe mich im Entspannen, im An-Rein-Gar-Nichts-Denken, unterbrochen von einem kleinen Vortrag über Mikroplastik. Der viele Lärm im Mittelmeer, teils ausgelöst durch Tourismus, stört die Kommunikation der Delfine. Tiere verirren sich oder kollidieren mit Booten. Moralischer Aufruf zu schonendem Umgang mit Ressourcen. Mein multilingualer personal guide und ich philosophieren über fest monierte Deckel an Plastikflaschen und deren unpraktische Druckstellen auf Backe und Nase, sowie die EU-weite Streichung von Plastik-Trinkhalmen.

Wieder am Hafen angekommen, fix das Fahrrad aufgesperrt und ab nach Suhiberry, unserer jetzt doch auf neun Nächte befristeten Heimat.

Zusammenfassung

Auf Empfehlung las ich vor einigen Jahren „The Big Five For Life„. Das kann man ernst nehmen, oder auch nicht. Einem meiner möglichen Ziele bin ich mit diesem Tagesausflug näher gekommen.

One thought on “Delfine auf 43.536 / -2.127

  1. Eine Brücke für den Esel: steueRbord=Rechts 😉
    Auch hier ist dir mein Neid sicher 😛
    Anmerkung für den Kniebohrer: Mit Absicht klein geschrieben.

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